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Anteilsvereinigung und ihre Rückabwicklung in der Grunderwerbsteuer

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§ 16 Abs. 2 GrEStG ist auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG ist nicht (mehr) erfüllt, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden.

Die Steuerbarkeit wird nur durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.

Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. Diese Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus.

Der im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall zwischen der Klägerin und F geschlossene Vertrag vom 10.02.2010, durch den zum einen der zwischen diesen Vertragsparteien geschlossene Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.12.2008 aufgehoben und die Klägerin sodann einen Geschäftsanteil von 1.225 EUR an der G-GmbH von F erworben hat, genügt den Anforderungen eines Rückerwerbs i.S. des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Aufgrund des Vertrags vom 10.02.2010 hat sich die Beteiligung der Klägerin an der G-GmbH innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 3 GrEStG auf einen den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht genügenden Anteil von 94,9 % ermäßigt.

Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass keine vollständige Rückabwicklung sämtlicher Anteilserwerbe, die gemäß Vertrag vom 18.12.2008 zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG geführt haben, erfolgt ist. Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist allein entscheidend, dass aufgrund des Vertrags vom 10.02.2010 weniger als 95 % der Anteile in der Hand der Klägerin vereinigt wurden und dass hinsichtlich des auf F zurückübertragenen Anteils von 0,1 % eine vollständige Rückübertragung erfolgt ist.

Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) gilt insoweit nichts anderes als für Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sind bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG bereits dann erfüllt, wenn aufgrund eines Anteilsrückerwerbs innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer für diesen Erwerbsvorgang die in § 1 Abs. 2a GrEStG bestimmte Grenze von 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht mehr erreicht wird. Eines Rückerwerbs sämtlicher Anteile, deren Übergang zur Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, bedarf es nicht.

Diese auch für die Rückgängigmachung einer Anteilsvereinigung maßgebende Rechtslage folgt aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 16 GrEStG und den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. § 16 GrEStG ist eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG ist ausschließlich dann erfüllt, wenn 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen in einer Hand vereinigt werden. Wird daher durch Anteilsrückerwerb nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung in der Weise beseitigt, dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird, ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG nicht (mehr) erfüllt.

Eine Einschränkung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich auch nicht aus den vom FA herausgestellten Besonderheiten des Steuertatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG im Vergleich zu dem des § 1 Abs. 2a GrEStG.

Zwar fingiert § 1 Abs. 2a GrEStG –im Unterschied zum Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG– ein auf Übereignung des Grundstücks auf eine “neue” Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Vorschrift erfasst damit nicht die geänderte Sachherrschaft über ein Grundstück in der Person neuer Gesellschafter, sondern die geänderte Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke auf der Gesellschaftsebene. Dieser rechtskonstruktive Unterschied zwischen beiden Steuertatbeständen findet seinen Ausdruck auch in den unterschiedlichen Regelungen über die Steuerschuldnerschaft (§ 13 Nr. 5 Buchst. a und b GrEStG einerseits und § 13 Nr. 6 GrEStG andererseits). Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist aber letztlich nur entscheidend, ob aufgrund eines Rückerwerbs von Anteilen das in § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile unterschritten wird und damit dieser Steuertatbestand nicht (mehr) erfüllt ist.

Im Streitfall ist hinsichtlich eines Anteils von 0,1 % an der G-GmbH eine vollständige Rückübertragung auf F erfolgt. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass der der Klägerin aus der Aufhebung des Anteilskaufvertrags vom 18.12.2008 gegen F zustehende Anspruch auf Kaufpreisrückerstattung mit dem Kaufpreisanspruch der F aus dem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 10.02.2010 verrechnet wurde. Die Gegenleistung für einen Anteilserwerb ist im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 GrEStG ohne Bedeutung, weil sich die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG ausschließlich nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 bis 4 BewG bestimmt. Auch im Zusammenhang mit der Nichtfestsetzung der Steuer oder der Aufhebung der Steuerfestsetzung für einen dieser Vorschrift unterfallenden Erwerbsvorgang kommt es daher auf die Gegenleistung nicht an.

Ob und gegebenenfalls welche weiteren Voraussetzungen an einen den Anforderungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG genügenden Anteilsrückerwerb zu stellen sind, wenn im Zusammenhang mit einer Rückübertragung von Anteilen deren Weiterübertragung an Dritte erfolgt, kann offen bleiben. Im Streitfall ist eine solche Weiterübertragung nicht erfolgt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Juni 2013 – II R 52/12


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