Der Beginn der Verjährungsfrist für einen Bereicherungsanspruch nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. war nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben.
Ein etwaiger Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verjährt mit Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der auf Rückgewähr der Prämien gerichtete Bereicherungsanspruch entstand mit dem vom Versicherungsnehmer erklärten Widerspruch. Die Widerspruchserklärung ist entscheidend für die Entstehung des Bereicherungsanspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 08.04.2015 entschieden und im Einzelnen begründet hat.
Im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung hatte der Versicherungsnehmer auch im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners.
Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.
Dem Versicherungsnehmer war die Erhebung einer Klage nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Entgegen der Auffassung der Revision war der Verjährungsbeginn nicht bis zum Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.03.2012, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12 2013 und deren Umsetzung in das deutsche Recht durch das BGH, Urteil vom 07.05.2014 oder gar bis zu dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.05.2016 hinausgeschoben.
Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass über die Richtlinienkonformität des § 5a VVG a.F. ein Meinungsstreit bestand, über den der Bundesgerichtshof im Jahr 2010 noch nicht abschließend entschieden hatte. Anders als die Revision meint, ist eine Rechtslage nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt; vom Bestehen des Anspruchs auszugehen. So liegt es hier. Der Versicherungsnehmer war die Klageerhebung trotz des zur Zeit des Widerspruchs noch bestehenden Meinungsstreits nicht unzumutbar, nachdem sie durch die Erklärung des Widerspruchs und die Rückforderung der Prämien zu erkennen gegeben hatte, dass sie von einem fortbestehenden Lösungsrecht und einem Rückerstattungsanspruch ausging.
Dass die obergerichtliche Rechtsprechung noch im Jahr 2010 nahezu einhellig davon ausging, die später vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19.12 2013 als richtlinienwidrig angesehene Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht zu beanstanden, machte die Klageerhebung ebenfalls nicht ausnahmsweise unzumutbar. Zwar kann eine entgegenstehende Rechtsprechung ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben. Dies setzt aber eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung voraus. Eine solche existierte zu § 5a VVG a.F. nicht.
Auch das europarechtliche Effektivitätsgebot rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren – einschließlich der Verjährungsregelungen – für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürfen diese Verfahren allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität). Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung – hier die nationale kenntnisabhängige Regelverjährungsfrist von drei Jahren – wahrt diese Grundsätze und führt nicht dazu, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte dadurch praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde, auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der Klage zur Folge hat.
Wenn die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Versicherungsnehmer den Widerspruch erklärt hat, bedeutet dies entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass der Versicherungsnehmer in der Ausübung seines Lösungsrechts unzumutbar beschränkt wird. Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der die Verjährung erst nach Erklärung des Widerspruchs beginnt und nicht schon – wie seinerzeit ebenfalls vertreten wurde – mit den einzelnen Prämienzahlungen, ist dem Versicherungsnehmer für die Lösung vom Vertrag eine ausreichende Zeit eingeräumt. Es ist sichergestellt, dass der nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Lösungsrecht belehrte Versicherungsnehmer von diesem Gebrauch machen kann und vorher die Verjährung nicht abläuft. Durch das Hinausschieben des Verjährungsbeginns bis zum Schluss des Jahres, in dem der Versicherungsnehmer sein Lösungsrecht ausübt, hat der Bundesgerichtshof dem Effektivitätsgebot gerade Rechnung getragen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 385/16